Warum gerade in den Wald?
Ein Aufenthalt im Wald ermöglicht aus pädagogischer Sicht für die gesamte kindliche Entwicklung förderliche Erfahrungen, die in vergleichbarer Form und Vielfalt kaum in einem anderen Umfeld gemacht werden können. Bereits das Betreten des Waldes ist sehr eindrucksvoll. Er besitzt ein eigenes Klima, die Lichtverhältnisse verändern sich, andere Geräusche werden vernehmbar. In ihm geht auch die räumliche Übersichtlichkeit verloren, denn hinter jedem Strauch und Stamm kann etwas Unerwartetes verborgen sein und es besteht die Möglichkeit, sich selbst in ihm zu verstecken. Die Zeit bekommt eine andere Dimension: statt schneller Entwicklungen sind langsam ablaufende Prozesse bestimmend. Der kontinuierliche Wandel, den die Natur im Laufe der Jahreszeiten vollzieht, wird als etwas erfahrbar, dass nicht beschleunigt werden kann und einem festen Ablauf folgt. In Relation zu der Lebenszeit eines alten Baumes wird die eigene als kurz empfunden und ein Gefühl für die Zeitlichkeit entwickelt.
Die Lebenswelt der Kinder hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Das Freizeitverhalten ist mehr und mehr abhängig von Medien und vorgegebenen Freizeitangeboten. Früher spielten die Kinder vorwiegend im Freien. Sie trafen sich draußen auf der Straße, im Hof, auf unbebauten Grundstücken, im Wald oder auf Wiesen, spielten dort und gingen gemeinsam auf Entdeckungsreise. Draußen spielen war für die Kinder der Inbegriff von Freiheit. Die Straße war ein Ort, an dem soziales Verhalten eingeübt, Absprachen getroffen und Spiele erfunden wurden. Hier wurde unabhängig von der Jahreszeit und vom Wetter gespielt. Es war den Kindern egal, ob es regnete oder kalt war. Das gemeinsame Spiel im Freien entstand, da die Wohnungen oft zu klein waren und auch die Kinderzimmer, soweit sie überhaupt vorhanden waren, kein so großes Spielangebot vorweisen konnten. Spielende Kinder im Freien bzw. auf der Straße sind heute weniger zu finden. Sie halten sich vor allem in den Häusern in ihren Zimmern auf. Die freien Bewegungsspiele werden ersetzt durch organisierte Spiel- und Sportangebote und sind somit auf bestimmte Zeit festgelegt. Fernsehen, Video- und Computerspiele fesseln die Kinder ans Haus. Nicht selten orientieren sich die Spielzeiten am Fernsehprogramm. Heutzutage haben Eltern immer früher den Wunsch, dass ihre Kinder schon im Kindergarten Fähigkeiten erwerben, die ihnen für ihre berufliche Entwicklung hilfreich sind. Dies bedeutet leider eine starre Fokussierung auf kognitiv oder nur auf eine Kompetenz ausgerichtete Angebote bereits im Kindergartenalter. Kinder handeln und erleben jedoch ganzheitlich, d.h. sie sind mit Kopf, Herz und Hand dabei. Sie nehmen Sinneseindrücke mit dem ganzen Körper wahr und drücken Gefühle wie Wut, Trauer und Freude mit dem ganzen Körper aus. Die Entwicklung des Kindes läuft, gerade bei jüngeren Kindern über die Motorik und die Sinne. Ein Kind be- greift seine Umwelt. Die Wahrnehmung wird immer differenzierter, je mehr Erfahrungen gemacht und verarbeitet werden können. Ein Kind differenziert das, was es wahrnimmt nach seinen persönlichen Erfahrungen und selektiert somit zugleich die einströmenden Reize. Dadurch wird das Handeln aktiv vom Kind bestimmt. Die Waldpädagogik zielt darauf ab, den Kindern einen möglichst großen Handlungs-freiraum zur Entfaltung der Persönlichkeit zu ermöglichen.
Die Spielräume, die Kindern frei zugänglich sind, werden immer künstlicher und bieten wenig Bewegungsanreize. Es fehlen die Gelegenheiten, ohne Einschränkung zu spielen, zu toben, Geheimnisse auszuhecken und Abenteuer zu erleben. Der Wald bietet den Kindern durch seine natürliche, wenig vom Menschen beeinflusste Beschaffenheit, gleichzeitig das Gefühl von Geborgenheit und Abenteuer. Er ist einLebensraum ohne Wände und hat doch natürliche Grenzen, die durch z.B. Bäche, Hügel und die Vegetation wie separate Räume wirken können. Die Kinder machen Erfahrungen aus erster Hand und mit allen Sinnen. Das bringt nicht nur Spaß, sondern verhilft den Kindern ihr eigenes Gleichgewicht zu finden. Durch die Anpassung an die unterschiedlichen Begebenheiten (bergauf, bergab, große Steine, hängende Äste, liegendes Totholz), wird sowohl die Motorik als auch das naturwissenschaftlich-mathematische Verständnis gefordert und gefördert. Die Sprache und die Kreativität werden durch die wenig vorgegebenen Bedingungen stark angesprochen. Studien zur Intelligenzentwicklung zeigen, dass Kinder, die sich ihre Umwelt weitestgehend selbst aneignen können, besser abschneiden als andere. Kinder wünschen sich zum Spielen veränderbare Spielräume, in denen sie auch mal unbeobachtet agieren können. Der Wald bietet diese natürlichen Rückzugsmöglichkeiten.
Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt der Waldpädagogik liegt darin, dass den Kindern auf kindgerechte, erlebnisorientierte Weise die Natur und ihre Funktionsweisen näher gebracht werden.
Besonders bei verhaltensauffälligen Kindern ( z.B. sehr schüchterne/ängstliche Kinder, hyperaktive Kinder, oppositionelle Kinder, entwicklungsverzögerte Kinder, Kinder, die unter dem Asberger- Syndrom leiden, Kinder mit einer kurzen Konzentrationsdauer, antriebsarme Kinder, wahrnehmungsgestörte Kinder) hat die Arbeit in Waldkindergärten gezeigt, dass diese Kinder eine positive Entwicklungschance erhalten, die sonst kaum zu erreichen ist. Auch krankheitsanfälligen und übergewichtigen Kindern tut der Aufenthalt und die Bewegung an der frischen Luft gut.
Im Wald können sich die Kinder unmittelbar als Teil der Natur erfahren und eine individuelle Beziehung zu ihr aufbauen. Sie erhalten einen ursprünglichen Zugang, wodurch die Natur einen Eigenwert erhält, der unabhängig von ihrem Nutzen für die Menschen ist. Die Kinder machen im Wald die Erfahrung, ohne Eigenleistung etwas zu bekommen.
Nur wer die Natur kennt und liebt, wird sie auch schützen.
Informationen gibt´s auch hier:
http://www.eifel.de/go/freizeitmoeglichkeiten-detail/abenteuer_im_wald.html